Hair

Haar ist für mich etwas Wertvolles und deshalb sammle ich schon seit vielen Jahren eigene Haare, aber auch Haare meiner Familie und Unbekannter und integriere sie vor allem als Struktur in Malerei, aber auch als Motiv in Objektkunst.

Das Haar, das ausgefallen oder abgeschnitten ist - ist es nichts mehr wert?  Es enthält einzigartige genetische Codes und kann nicht verwesen und auch bei Fixierung nicht zerfallen - es bleibt auf der Leinwand erhalten.


Cycle  „HAIR“

Erpe has been working and experimenting since 2005 with genetic codes. In the series “hair” the artist presents both her own hair as well as hair of her family members and hair of unknown persons and integrates these most of all as structure in paintings, but also as motives in her object art. BODIES in reduced forms and different artistic techniques are returning as themes in the works of erpe. The human body is a symbol as well as synonym for different meanings - objects or surface, taking place as a basis and substance.


Vorwort in meinem Katalog HAAR von em.o.Univ.Pof.Dr.Götz Pochat .
Haar-Riss - eine Betrachtung

Katalog HaarSeit jeher war das Haar, Schutz und Schmuck zugleich, Kennzeichen des Individuums und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit. Bereits in den frühen Hochkulturen, wurden die Haare der Priester, Könige und Königinnen, einer strengen Ordnung unterworfen, partiell rasiert und verhüllt, um gleichsam das ungebändigte Leben, die Leidenschaft in Zaum zu halten. Die zivilisatorische Züchtigung und Selbstkontrolle, die in der Haartracht zum Ausdruck kommt, zieht sich wie ein roter Faden durch alle Kulturen im Westen wie im Osten bis auf den heutigen Tag - das Haar wird nur im Verborgenen, Dunkeln, dem Geliebten als Zeichen der Intimität und Vereinigung, gelöst, sichtbar und greifbar, entblößend und auffordernd zugleich. Dementsprechend heißt es im Hohelied 4,1: "Dein Haar gleicht einer Herde von Ziegen, die herabzieht von Gileads Bergen" "wie Purpur sind deine Haare" (7,6). Der Purpur war seit jeher königliches lnsiginum, Zeichen höchster Wertschätzung und gesellschaftlicher Nobilitierung.

Binden und Lösen, Knoten und Locken - immer spiegelt die Frisur die fortwährende Auseinandersetzung zwischen gesellschaftlicher Konvention und individueller Lebensentfaltung. Auch in den letzten hundert Jahren diente die Frisur als Zeichen für Norm, Herrschaftszwang und Gruppenzugehörigkeit bzw. für Auflehnung und individuelle Freiheit- im Musical "Hair" hat das ungebändigte Haar Kultstatus erlangt. Als bevorzugtes Zeichen der Ausgrenzung in der westlichen Schamgesellschaft wurden seit jeher den Frauen, die im Verdacht der Fraternisierung standen, die Haare geschoren. Vollends ihrer Würde und Individualität beraubt, werden ihnen weiterhin in Gefängnissen die Haare geschnitten, um nicht von den ungeheuerlichen Bergen von Haaren in Auschwitz zu sprechen - zurückgeblieben dienen sie als Zeugnis vernichteten Lebens, Zeichen ungetilgter Schande einer barbarischen Zivilisation.

Im Fett und Filz (bzw. Haar) hat Joseph Beuys den Weg zurück ins ursprüngliche Leben vergegenständlicht. Mit ihren HaarBildern sucht Renate Polzer gleichermaßen der unverfälschten Energie, Lebenskraft und Lebensfreude, künstlerisch immer neue Zeichen zu setzen. ln unterschiedlichsten Kombinationen werden diese wundersamen Spuren individuellen Lebens wieder einer Ordnung zugeführt, die sich jenseits der Sozietät auftut: von dem Urgrund organischen Wachsens und Werdens, über das Individuum hinaus, losgelöst, der Sphäre der Kunst einverleibt und mit ihr dem Geistigen zugewandt - als Faden und Himmelsseil dient das Haar, verzwirnt und verknotet als Metapher für Zeit und Endlosigkeit, verdichtet im Leben des Menschen im Zentrum der kosmischen Ordnung - homo nodus et copula mundi. Wie kein anderes Körpermerkmal birgt die aufbewahrte Locke die Erinnerung an einen geliebten Menschen oder an gelebtes Leben, aus dem wir selbst in unserem Dasein Sinn suchen und Kraft schöpfen. Wie es so schön in Hofmannsthals "Terzinen über Vergänglichkeit" heißt:

Dann: dass ich auch vor hundert Jahren war,
Und meine Ahnen, die im Totenhemd,
Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar,
So eins mit mir als wie mein eignes Haar".

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